video loops
prints on aludibond 150 x 105 cm
since 2018
[E]
In DEPRESSED ANIMALS, the movements of animals with stereotypical behavior are transferred to "smart objects" such as drones, vacuum cleaner robots and trolleys to ultimately represent depressed robots. The behavioral abnormalities are repetitive and compulsive and serve no function. These anomalies often occur in captivity. While the captivity of animals arises from the cage, the captivity of kinetic objects lies in their programming.
[D]
Bei DEPRESSED ANIMALS werden die Bewegungen von Tieren mit stereotypem Verhalten auf "smart object" wie Drohnen, Staubsaugerroboter und Trolleys übertragen, um schließlich depressive Roboter darzustellen. Die Verhaltensstörungen haben einen wiederholenden und zwanghaften Charakter und dienen keiner Funktion. Diese Anomalien treten häufig in Gefangenschaft auf. Während die Gefangenschaft von Tieren durch den Käfig entsteht, liegt die Gefangenschaft von kinetischen Objekten in ihrer Programmierung.
DEPRESSED ANIMALS
Ein Text von Sophia Gräfe über die Arbeit von Elisa Jule Braun
Zu den antiquierten Formen der Bemächtigung von Natur gehört der Zoologische Garten. Tiere jeglicher Größenordnung und Herkunft werden dort eng gelagert. Jede Schachtel dieser lebenden Archive ist mit der Angabe der Provenienz der so kostbaren Kulturgüter versehen. Kein Weg wäre zu weit, keine Anstrengung zu groß, um nicht die fragilsten Exemplare mit allerhand technischem und diplomatischem Geschick in die Verwahrung des Tiergartens zu überführen und in der kontrollierten Kulisse üppiger Miniaturwelten auszustellen.
Berührend ist die Reaktion der unfreiwilligen Insassen. Anstatt sich nach ihrer Freiheitsberaubung resigniert in einer Käfigecke dem baldigen Tod hinzugeben, dehnen sie bisweilen den Zeitraum des Sterbens durch eine Reihe stereotyper Gesten aus. Bei zahlreichen in Gefangenschaft lebenden Tieren lassen sich repetitive Bewegungen beobachten. Es scheint, als ob die an einem Ort festgesetzten Lebewesen ihre Lage derart neu bestimmen. Ein sich tief in den Sand des Geheges einschreibender Trampelpfad trägt Zeugnis vom bedrückenden Versuch, dem eingeschränkten Lebensraum eine eigene, schier unendlich werdende Dimension zu verleihen. Im wiederholten Abschreiten des Weges sendet sich ein unüberhörbarer Morsecode des Leidens. Es ist allein der menschlichen Gewöhnung zuzuschreiben, dass diese offen ausgestellte Ungeheuerlichkeit auch in Zeiten der politischen Solidarisierung mit nicht-menschlichen Wesen oder gar unbelebten Dingen fortbesteht. Das Leben der Zootiere stagniert in einer prekären Existenz von ungewisser Dauer.
Weniger offen zwanghaft, jedoch umso deprimierender ist das Leben der animierten Heimgeräte. Die auf eine automatisierte Dienstleistung hin ausgerichteten Werkzeuge bevölkern das Zuhause zumeist gemeinsam mit Haustieren in Abwesenheit ihrer Besitzer. Implementiert man in diese intelligenten Dinge das zum Programm gewordene Bewegungsmuster animalischer Stereotypien, enthüllt sich eine sonst unterdrückte Verbundenheit mit den Dingen. Der Ethnologe Alf Hornborg hat diese Dissoziation als politische Strategie der kapitalistischen Moderne identifiziert, deren Ausbeutung biologischer und stofflicher Ressourcen nur in einer Aufrechterhaltung der cartesianischen Unterbindung der Verbundenheit belebter und unbelebter Entitäten möglich sei.[1]
Elisa Jule Brauns Arbeit verschränkt ebenjene sonst disparaten Bereiche. Für die Installation hat sie den lethargischen Gang eines Ameisenbären in das Fahrtprogramm eines handelsüblichen Staubsaugerroboters übertragen. Die Videoaufnahmen der ursprünglichen Bewegung begleiten im Hintergrund den befremdlichen Anblick der hybriden Situation. Beginnen sich unbelebte Objekte, zumal mit der zweifelhaften Aktivität verhaltensgestörter Tiere ausgestattet, in Bewegung zu setzen, bricht das Geisterhafte aus den sonst so harmlosen Dingen heraus. Der Anblick einer sinnlosen Tätigkeit eines Computers lässt uns erschaudern. Im Sinne der Idee der Latour’schen Quasi-Objekte sind programmierte Staubsaugerroboter eben nicht mehr bloße Dinge. In ihnen verschränken sich die anthropozäne Politik der Urbarmachung belebter und unbelebter Rohstoffe mit technischen Dispositiven und menschlichen Befehlen.[2]
Diese unbehagliche Verschränkung von Mensch, Tier und Technik ist das Signet der auf informatischen Ökologien beruhenden Postmoderne. Folgt man dem Medientheoretiker Vilém Flusser, endet mit dem Computer das Zeitalter der Handlung. Flusser streicht die Hand aus der Anatomie des nun als Programmierer verstandenen Menschen. Arbeit wird nun als Wahl eines Befehls mit den Fingerspitzen gedacht. Das Leben richtet sich in einer neuen Umgebung ein, die potentiell unbegreiflich ist.[3] Dass diese Aufhebung der Stofflichkeit von Arbeit trügerisch und nicht mit dem Einzug einer uneingeschränkten Freiheit zu verwechseln ist, lässt sich ebenfalls in Flussers Texten zu den Apparaten nachlesen. An den Fingern des Programmierers hängt die Welt als programmierte Welt, die jeweils nur die Wahl binärer Optionen laut Vorschrift zulässt.[4] Das Resultat kann nur eine kulturelle Ödnis sein.
Das, was uns an den unproduktiven Routinen der Roboter, am Wiederholungszwang psychisch gestörter Tiere erschüttert, ist schließlich ihre grauenhafte Entsagung produktiver Arbeit im herkömmlichen Sinne. Eine vormals auf Wertzuwachs und Innovation abzielende Handlungslogik kündigt sich in nun in den zum Symbol gewordenen Bewegungsschleifen auf. Anstelle dessen: Persistenz, Repetition und Präfiguration. Die nur auf ihre eigene Existenz bezogene Sinnhaftigkeit macht Brauns Wesen zu Gespenstern einer sich entsagenden Zukunft. Ihr Anblick lässt uns fühlen, was Mark Fisher mit der hauntologischen Melancholie beschrieben hat.[5] Der Mensch, das depressed animal.
[1] Vgl. Hornborg, Alf: Animismus, Fetischismus und Objektivismus als Strategien der Welt(v)erkenntnis, In: Albers, Irene; Franke, Anselm (Hg.): Animismus – Revisionen der Moderne, 2. Auflage, Zürich 2012, S. 58
[2] Vgl. Latour, Bruno: Wir sind nie modern gewesen – Versuch einer symmetrischen Anthropologie, Frankfurt a. M. 2008, S. 19
[3] Vgl. Flusser, Vilém: Dinge und Undinge – Phänomenologische Skizzen, München 1993, S. 86f
[4] Vgl. Flusser (wie Anm. 3), S. 87f
[5] Vgl. Fisher, Mark: Gespenster meines Lebens – Depression, Hauntology und die verlorene Zukunft, Berlin 2015, S. 36–39 und 43f
Text: Sophia Gräfe, 2018
video loops
prints on aludibond 150 x 105 cm
since 2018
[E]
In DEPRESSED ANIMALS, the movements of animals with stereotypical behavior are transferred to "smart objects" such as drones, vacuum cleaner robots and trolleys to ultimately represent depressed robots. The behavioral abnormalities are repetitive and compulsive and serve no function. These anomalies often occur in captivity. While the captivity of animals arises from the cage, the captivity of kinetic objects lies in their programming.
[D]
Bei DEPRESSED ANIMALS werden die Bewegungen von Tieren mit stereotypem Verhalten auf "smart object" wie Drohnen, Staubsaugerroboter und Trolleys übertragen, um schließlich depressive Roboter darzustellen. Die Verhaltensstörungen haben einen wiederholenden und zwanghaften Charakter und dienen keiner Funktion. Diese Anomalien treten häufig in Gefangenschaft auf. Während die Gefangenschaft von Tieren durch den Käfig entsteht, liegt die Gefangenschaft von kinetischen Objekten in ihrer Programmierung.
DEPRESSED ANIMALS
Ein Text von Sophia Gräfe über die Arbeit von Elisa Jule Braun
Zu den antiquierten Formen der Bemächtigung von Natur gehört der Zoologische Garten. Tiere jeglicher Größenordnung und Herkunft werden dort eng gelagert. Jede Schachtel dieser lebenden Archive ist mit der Angabe der Provenienz der so kostbaren Kulturgüter versehen. Kein Weg wäre zu weit, keine Anstrengung zu groß, um nicht die fragilsten Exemplare mit allerhand technischem und diplomatischem Geschick in die Verwahrung des Tiergartens zu überführen und in der kontrollierten Kulisse üppiger Miniaturwelten auszustellen.
Berührend ist die Reaktion der unfreiwilligen Insassen. Anstatt sich nach ihrer Freiheitsberaubung resigniert in einer Käfigecke dem baldigen Tod hinzugeben, dehnen sie bisweilen den Zeitraum des Sterbens durch eine Reihe stereotyper Gesten aus. Bei zahlreichen in Gefangenschaft lebenden Tieren lassen sich repetitive Bewegungen beobachten. Es scheint, als ob die an einem Ort festgesetzten Lebewesen ihre Lage derart neu bestimmen. Ein sich tief in den Sand des Geheges einschreibender Trampelpfad trägt Zeugnis vom bedrückenden Versuch, dem eingeschränkten Lebensraum eine eigene, schier unendlich werdende Dimension zu verleihen. Im wiederholten Abschreiten des Weges sendet sich ein unüberhörbarer Morsecode des Leidens. Es ist allein der menschlichen Gewöhnung zuzuschreiben, dass diese offen ausgestellte Ungeheuerlichkeit auch in Zeiten der politischen Solidarisierung mit nicht-menschlichen Wesen oder gar unbelebten Dingen fortbesteht. Das Leben der Zootiere stagniert in einer prekären Existenz von ungewisser Dauer.
Weniger offen zwanghaft, jedoch umso deprimierender ist das Leben der animierten Heimgeräte. Die auf eine automatisierte Dienstleistung hin ausgerichteten Werkzeuge bevölkern das Zuhause zumeist gemeinsam mit Haustieren in Abwesenheit ihrer Besitzer. Implementiert man in diese intelligenten Dinge das zum Programm gewordene Bewegungsmuster animalischer Stereotypien, enthüllt sich eine sonst unterdrückte Verbundenheit mit den Dingen. Der Ethnologe Alf Hornborg hat diese Dissoziation als politische Strategie der kapitalistischen Moderne identifiziert, deren Ausbeutung biologischer und stofflicher Ressourcen nur in einer Aufrechterhaltung der cartesianischen Unterbindung der Verbundenheit belebter und unbelebter Entitäten möglich sei.[1]
Elisa Jule Brauns Arbeit verschränkt ebenjene sonst disparaten Bereiche. Für die Installation hat sie den lethargischen Gang eines Ameisenbären in das Fahrtprogramm eines handelsüblichen Staubsaugerroboters übertragen. Die Videoaufnahmen der ursprünglichen Bewegung begleiten im Hintergrund den befremdlichen Anblick der hybriden Situation. Beginnen sich unbelebte Objekte, zumal mit der zweifelhaften Aktivität verhaltensgestörter Tiere ausgestattet, in Bewegung zu setzen, bricht das Geisterhafte aus den sonst so harmlosen Dingen heraus. Der Anblick einer sinnlosen Tätigkeit eines Computers lässt uns erschaudern. Im Sinne der Idee der Latour’schen Quasi-Objekte sind programmierte Staubsaugerroboter eben nicht mehr bloße Dinge. In ihnen verschränken sich die anthropozäne Politik der Urbarmachung belebter und unbelebter Rohstoffe mit technischen Dispositiven und menschlichen Befehlen.[2]
Diese unbehagliche Verschränkung von Mensch, Tier und Technik ist das Signet der auf informatischen Ökologien beruhenden Postmoderne. Folgt man dem Medientheoretiker Vilém Flusser, endet mit dem Computer das Zeitalter der Handlung. Flusser streicht die Hand aus der Anatomie des nun als Programmierer verstandenen Menschen. Arbeit wird nun als Wahl eines Befehls mit den Fingerspitzen gedacht. Das Leben richtet sich in einer neuen Umgebung ein, die potentiell unbegreiflich ist.[3] Dass diese Aufhebung der Stofflichkeit von Arbeit trügerisch und nicht mit dem Einzug einer uneingeschränkten Freiheit zu verwechseln ist, lässt sich ebenfalls in Flussers Texten zu den Apparaten nachlesen. An den Fingern des Programmierers hängt die Welt als programmierte Welt, die jeweils nur die Wahl binärer Optionen laut Vorschrift zulässt.[4] Das Resultat kann nur eine kulturelle Ödnis sein.
Das, was uns an den unproduktiven Routinen der Roboter, am Wiederholungszwang psychisch gestörter Tiere erschüttert, ist schließlich ihre grauenhafte Entsagung produktiver Arbeit im herkömmlichen Sinne. Eine vormals auf Wertzuwachs und Innovation abzielende Handlungslogik kündigt sich in nun in den zum Symbol gewordenen Bewegungsschleifen auf. Anstelle dessen: Persistenz, Repetition und Präfiguration. Die nur auf ihre eigene Existenz bezogene Sinnhaftigkeit macht Brauns Wesen zu Gespenstern einer sich entsagenden Zukunft. Ihr Anblick lässt uns fühlen, was Mark Fisher mit der hauntologischen Melancholie beschrieben hat.[5] Der Mensch, das depressed animal.
[1] Vgl. Hornborg, Alf: Animismus, Fetischismus und Objektivismus als Strategien der Welt(v)erkenntnis, In: Albers, Irene; Franke, Anselm (Hg.): Animismus – Revisionen der Moderne, 2. Auflage, Zürich 2012, S. 58
[2] Vgl. Latour, Bruno: Wir sind nie modern gewesen – Versuch einer symmetrischen Anthropologie, Frankfurt a. M. 2008, S. 19
[3] Vgl. Flusser, Vilém: Dinge und Undinge – Phänomenologische Skizzen, München 1993, S. 86f
[4] Vgl. Flusser (wie Anm. 3), S. 87f
[5] Vgl. Fisher, Mark: Gespenster meines Lebens – Depression, Hauntology und die verlorene Zukunft, Berlin 2015, S. 36–39 und 43f
Text: Sophia Gräfe, 2018